Volvo-Serie 240/260

 

 

Die damals neue Volvo-Serie 240/260 wurde im Herbst 1974 vorgestellt. Zum ersten Mal besaßen beide Serien den gleichen Radstand von 264 cm (2 cm länger als beider früheren Serie 140, aber 8 cm kürzer als beim 164). Zwar waren die Karosserien ab der Windschutzscheibe praktisch identisch mit den ,,alten Modellen, doch der Vorderbau war komplett neu konstruiert. Die neue Vorderradaufhängung mit McPherson-Federbeinen, bot mehr Platz für den Motor und war auch hinsichtlich der Energieabsorption beim Aufprall von Vorteil. Die neue Zahnstangenlenkung arbeitete exakter und verminderte das Lenkungsspiel, das Anlaß zu vielen Klagen gegeben hatte. Die Hinterachsaufhängung und die Bremsen waren leicht modifiziert (speziell die Bremszylinder). Alle Modelle rollten auf 14-Zoll-Rädern, weil das die international am meisten verbreitete Größe war. Vorn waren die Modelle etwas niedriger als ihre Vorgänger, wenngleich die großen Gummistoßstangen sie gegenüber der alten Serie 140 um 13 cm verlängerten - und die Form war, gelinde gesagt, umstritten.

Die grösste Veränderungen gab es jedoch im "verborgenen", der B2OA-Motor (mit 82 DIN-PS bei 4700 Imin) wurde noch in einer 240-Version verwendet (der B2OB mit SU-Doppelvergaser war zum Glück verschwunden), alle anderen 240- Modelle waren mit einem neuen Motor ausgestattet, dem B21 mit zahnriemengetriebener obenliegender Nockenwelle. Die Bezeichnung wies auf den Hubraum hin, 21 bedeutete 2,1 Liter (2127 ccm). Die Grundkonstruktion (mit Graugußblock und fünffach gelagerter Kurbelwelle) war die gleiche wie vorher, doch war er jetzt mit einem Querstrom-Zylinderkopf aus Leichtmetallguß mit Ansaug krümmer auf der einen und Auspuffkrümmer auf der anderen Seite kombiniert. Diese Konstruktion verbesserte nicht nur den Gaswechsel, sondern auch die Kraftstoffausnutzung und die Leistung. Den neuen Motor gab es in zwei Ausführungen als Vergaserversion B21A mit 97 DIN-PS bei 5000/min und als Einspritzer B21E (mit GI-Einspritzung und elektronischer Zündung) mit 123 DIN- PD bei 5500/min. In der Praxis lag die Leistung um 3 PS unter der des alten Doppelvergasermotors und um 1 PS niedriger als bei der alten Einspritzmaschine, aber das Drehmoment war höher. Die Serie 260 enthielt den wirklich entscheidenden Fortschritt - einen V6-Motor, der zusammen mit Peugeot und Renault entwikkelt worden war. Ursprünglich plante Volvo die Entwicklung einer neuen Motorenfamilie, die aus einem Vierzylinder und einem V8 bestehen sollte und die Verwendung etlicher gemeinsamer Bauteile für beide Typen ermöglicht hätte. Anfang der 70er Jahre jedoch wurde den Technikern und Kaufleuten bei Volvo klar, dass mit dieser Entwicklung äußerst hohe Belastungen verbunden wären, und es gab gewisse Zweifel am Erfolg des V8-Projektes. Die Frage wurde durch die Ölkrise 1973 beantwortet, als alle Pläne für ,,Spritschlucker" aufgegeben wurden. In Frankreich hatten Peugeot und Renault 1966 eine Zusammen- arbeit beschlossen, die unter anderem zur Entwicklung eines V8- Motors (mit einem Hubraum über drei Liter) führen sollte. Volvo war durch das DAF-Geschäft schon mit Renault im Gespräch und die Societe Franco-Suedoise des Moteurs PRV (für Peugeot-Renault-Volvo) wurde im Sommer 1971 gegründet. Der Vertrag wurde für Volvo von Pehr G. Gyllenhammar unterzeichnet, dem neuen Präsidenten, der Gunnar Engellau im Mai desselben Jahres abgelöst hatte. Gunnar Engellaus Berufung bedeutete 1966 einen Meilenstein in der Volvo-Geschichte, und auch Pehr G. Gyllenhammar sollte für neue Inspirationen sorgen, auch wenn es einige Zeit dauerte, bis die Ergebnisse deutlich wurden.

 

Es wurde den drei Firmen schnell klar, daß ein V6-Motor eine passendere Alternative darstellte, auch wenn einige V8-Triebwerke für Testzwecke produziert wurden. In Douvrin in Nordfrankreich wurde ein Werk zur Produktion des neuen Motors errichtet. Die Volvo-Version des Motors (mit 2664 ccm) trug die Bezeichnung B27. Im (Leichtmetallguß-) Block saßen nasse Zylinderlauf- buchsen im Winkel von 90 Grad. (Aus verschiedenen technischen Gründen ist ein Winkel von 60 Grad zwischen den Zylinderreihen bei einem V6 ideal, doch ein größerer Winkel erleichtert die Unterbringung von Vergaser oder Einspritzanlage.) Die Brennräume waren halbkugelförmig und jede Zylinderreihe besaß eine obenliegende kettengetriebene Nockenwelle. Der Zylinderblock bot dank seiner speziellen Konstruktion bestmögliche Lagerung für eine Hochleistungskurbelwelle. Der V6 war nicht länger als der neue Vierzylinder und wog nur 150 kg. Mußte die Karosserie für den alten Reihensechszylinder verlängert werden, so war der Weg jetzt frei für neue Kombinationen. Die neuen Fahrzeuge gab es in insgesamt acht Versionen - sechs in der Serie 240 und zwei in der Serie 260. Zusätzlich wurde der alte 164 noch ein weiteres Jahr produziert, allerdings nur für den Export in bestimmte Länder.

 

Das Grundmodell der Serie 240 (der 242L) hatte den alten B2OA-Motor und Stoffpolsterung mit Vinyleinfassung 242DL und 244DL gab es sowohl mit dem B2OA-Motor als auch mit dem neuen B21A und mit Polsterung ganz in Stoff. Das luxuriöseste Modell in dieser Reihe war der 244GL mit dem B21E- Einspritzmotor und Lederpolsterung. Den Kombi 245 gab es in L-und DL-Ausstattung. Einige Modelle waren auf Wunsch mit Automatikgetriebe oder Overdrive lieferbar. 264DL und GL wurden vom gleichen Einspritzmotor (B27E mit 140 DIN-PS bei 5500 /min angetrieben, die Unterschiede lagen in der Ausstattung. Unter anderem gab es den GL in Leder- oder Velurpolsterung (beim DL nur Stoff, mit elektrischen Fensterhebern und einem verchromten Grill (statt des einfachen schwarzen beim DL). Die Fronten der Serien 240 und 264 unterschieden sich deutlich.

 

Während die teureren Modelle in Schweden mit Rechteckscheinwerfern ausgerüstet wurden, gab es für gewisse Export märkte Doppelscheinwerfer. Wie gewöhnlich elektrisierte eine Reihe von Exportmodellen ohne Pendant in Schweden. Für den 264 standen Viergang-, Fünfgang- und Automatikgetriebe zur Wahl. Servolenkung war (wie beim 244GL) serienmäßig. Zum ersten Mal stellte Volvo die Produktion der früheren Modelle mit der Vorstellung der neuen Fahrzeuge ein, im Gegensatz zu früher, als die Vorgänger noch einige Jahre weiter gebaut wurden. Die ersten Fahrzeuge aus dem Werk Kalmar wurden 1974 ausgeliefert. Dieses Projekt stieß überall auf großes Interesse, weil es eine völlig neue Methode der Automobilproduktion darstellte. Das konventionelle Fließband, wurde durch verschiedene Montagestationen ersetzt, an denen Montagegruppen bestimmte Arbeiten ausführten (nicht unbedingt Tag für Tag dieselbe), bevor das Fahrzeug auf einer beweglichen Plattform weitergereicht wurde. Es war ein Versuch, die relativ unbefriedigende Arbeitsplatzsituation der traditionellen Fabrik abzuschaffen, und sorgte für wichtige Impul- se bei der Erweiterung des Werkes Torslanda. Der Erfolg in USA ermutigte die Firma, zur Errichtung eines Montagewerkes in Virginia. 1975 wurde die Volvo-Serie 240 in einer Leserbefragung von ,,Car & Driver~ der größten Automobilzeitschrift in USA, zur ,,Familienlimousine des Jahres" gewählt. Wegen der amerikanischen Handelsgesetze erschien Montage der Fahrzeuge im Lande vorteilhaft. Die Fertigstellung des Werkes war für 1977 geplant. Trotz allem - neuer Modelle, einer neuen Motorenpalette, des Kooperationsvertrages mit DAF des neuen Werks Kalmar und der Pläne für die Montage der Modelle in USA - bezeichnete Pehr G. Gyllenhammar 1974 im Jahresbericht des Unternehmens als ,Ver- lustjahr für die Industrie". Die internationale Ölkrise hatte die Nachfrage reduziert, während die Materialkosten aufgrund der In- flation stiegen und der Devisenkurs sich unvorteilhaft entwickelte. Die Lohnpolitik im Lande bildete ein weiteres Problem, denn der Lohnzuwachs in Schweden überstieg den in anderen Ländern bei weitem. (1975 stiegen Volvos Lohnkosten in Schweden um 22 Pro- zent.) Volvo Car BV in den Niederlanden erlitt 1974 und 1975 starke Verluste, und in Schweden mußte Volvo die Produktion kürzen. Das schlimmste aber war etwas, was Volvo, wenn überhaupt, nur selten erlebt hatte - Q~alitätsprobleme in einem Ausmaß, das in den nächsten Jahren erhebliche Probleme bereitete. Die (im Herbst 1975 präsentierten) 76er Modelle, unterschieden sich nur geringfügig von ihren Vorgängern, neu war allerdings der Sechizylindermotor B27 als Version mit SU-Vergaser (B27A) und 125 DIN-PS bei 5250/min oder 15 PS weniger als das B27E-Einspritztriebwerk. Der neue Motor wurde nur im 264DL eingesetzt und im neuen 265DL-Kombi, der seit Anfang 1976 produziert wurde. Andere Neuerungen für die gesamte Palette umfaßten neue Schaltgetriebe, ein Sicherheitslenkrad für die Serie 260, Kupfer- Aluminium-Bremsleitungen und ein teilweise aluminium- beschichtetes Auspuffsystem.

Die 1976 in Schweden eingeführten Abgasbestimmungen be- deuteten kein Problem für die neue Volvo-Motorengeneration, lediglich die alte B2OA-Maschine mußte mit Abgasrückführung modifiziert werden und wurde im 240-Kombi nicht mehr einge- setzt. Der B21A wurde mit neuer Nockenwelle versehen, die die Leistung auf 100 PS bei 5250/min anhob und den Motor etwas sparsamer machte. Andere Lack- und Polsterfarben waren lieferbar. In Schweden wurde das VSG-Schema (Volvo-Service-Garantie) Das Armaturenbrett bei den Serien 240 und 260 wurde weiter verfeinert und war jetzt erheblich attraktiver. Der PRV-Motor mit einem hohen Leistungsgenicht entstand als Gemeinschaftsentwicklung mit Peugeot und Renault. Die GL-Version des Volvo 265 Kombi war ein schneller, komfortabler Wagen.
Spektakulaer war auch eine Garantie. Nach den Bedingungen dieses Arrangements sollte kein Kunde in den ersten dreijahren (oder bis 60.000 km) bei einem Werkstattbesuch mehr als 300 Kronen für Lohn, Teile und Material zahlen, unter der Bedingung, daß alle 10.000 Kilometer ein Kundendienst in einer Volvo-Werkstatt ausgeführt wurde. Die VSG ergänzte die einjährige Neuwagengarantie, die fünfjähnge PV- Garantie, die umfassenden Schutz bot, und die normale Zwölfmonatsgarantie für Ersatzteile und Reparaturen. In Schweden stieg der Neuwagenabsatz 1976 von 65.200 auf 76.600 Einheiten, doch in den USA hatte die Invasion der Japaner eingesetzt, und die Volvo-Verkäufe sackten dramatisch ab, von 58.400 in 1975 auf 43.700 in 1976. Für eine höchst exportorientierte Firma wie Volvo waren die schwedischen Lohnkosten fast katastrophal. Mitte der 70er Jahre stiegen die Volvo-Preise in USA innerhalb weniger Jahre um 80 Prozent! Die Modelle für 1977 wurden im Herbst 1976 vorgestellt. In Schweden wurde der billigste 240 (244L) mit einer neuen, kleineren Version (B19) des B21-Motors ausgerüstet, der zuvor schon für verschiedene Exportmärkte verwendet worden war, auf denen Motoren unter zwei Liter steuerlich begünstigt waren, wie z.B. Italien. Die Leistung lag mit 90 DIN-PS um 10 PS niedriger als beim B2lA. Andere Modifikationen, wie die Montage der Positionslampen an den Seiten der hinteren Kotflügel waren unbedeutsam. Der 264GLE mit serienmäßiger Automatik und einer Reihe Extras wie Klimaanlage und Leichtmetallrädern sowie der 265GL (eine besser ausgestattete Version des 265) erschienen ebenfalls in jenem Herbst. In Schweden war der billigere 264GL (die Versionen 264DL und 265DL entfielen) nur noch mit dem B27-Vergasermotor zu haben. Das Volvo-Programm wurde jetzt immer unübersichtlicher, weil mehr und mehr verschiedene ,,individuelle" Versionen und Kombinationen für verschiedene Märkte eingeführt wurden.

Tests der schwedischen Fahrzeugüberwachung ergaben das Volvo (jetzt mit über l6 Jahren) das langlebigste aller in Schweden verkauften Autos war. Doch es war unstreitig, daß der Standard der Serie 140 und der ersten 240/260 nicht der bekannten , "Volvo-Qualität" entsprach, auf die das Unternehmen so stolz war. Eine der Hauptursachen wurde schnell bekannt: der neue Rostschutz- und Lackierungsprozeß bot nicht den vorgesehenen Schutz und besonders die75er und 76er Modelle rosteten ungewöhnlich schnell. Weil so ein Mangel leicht zu erkennen war, breitete sich rasch das Gerücht aus, Volvo sei keine zuverlässige Marke mehr - was für Mängel lauerten erst im Innern, wenn das Außere so schnell verfiel? Gegenmaßnahmen wurden getroffen, Ganz- und Teillackierungen in der Garantiezeit kosteten die Firma in den nächsten Jahren eine hübsche Stange Geld. Das Image, das Volvo anhing, bedeutete ein weiteres Problem. Man hatte bewußt die Produktion langlebiger und sicherer Familienautos angestrebt, ohne sonderlich darauf zu achten, was ,,modisch" oder gefragt war. Als sich der Wettbewerb im Markt verschärfte, bekamen die Fahrzeuge mehr und mehr ein Fußgängerimage, und der alte Spruch "Volvo - der schnellste Traktor der Welt" wurde einmal mehr ein beliebter Scherz in Schweden. Man hatte Zeit verloren mit der Entwicklung von Fahrzeugen, die nie gebaut wurden, und es war unverkennbar, daß die neue Serie 240 am Anfang eine aufgeputze Version eines älteren Modells war. Volvo konzentrierte sich auf Abhilfe - Qualitätskontrolle und Produktentwicklung. Qualitätsverbesserungen sind in kurzer Zeit zu erreichen, doch die Entwicklung einer neuen Modellreihe erfordert mindetens 10 Jahre. Es war höchste Zeit, sich auf die Entwicklung zu konzentrieren, und der Beschluß, hierfür wesentliche Mittel aufzuwenden fiel Ende der 70er Jahre. Man strebte eine schnelle Änderung des etwas unglücklichen Volvo-Images an durch ,,Ereignisse" in relativ kurzen Zeitabständen. Auch wenn Sicherheitsaspekte wie immer überragende Bedeutung genossen, war es wichtig zu zeigen, daß Sicherheit nicht gleichbedeutend war mit Langeweile und Konservativismus. Volvo präsentierte sein ,,Geburtstagsauto" am 14. April 1977. Es war eine Spezialversion des 244DL in Silbermetallic mit schwarz- goldenem Zierstreifen. Die Innenausstattung bestand aus blauem Velur und der Handschuhkastendeckel trug ein silbernes Schildchen mit der Gravur ,Volvo 1927-1977, Anniversary Car" und Pehr G. Gyllenhammars Unterschrift. An den Seiten und am Heck gab es speziell emaillierte Embleme, doch unglücklicherweise von so schlechter Qualität, daß sie bald unansehnlich wurden. Im Frühjahr 1977 erhielt Volvo in Anerkennung der Arbeit auf dem Gebiet der Sicherheit im Automobil eine britische Auszeichnung - die Don Safety Trophy, während die National Highway Traffic Safety Administration in USA die Serie 240 für ein Testprogramm zur Entwicklung neuer Richtlinien für künftige US-Sicherheitsvorschriften auswählte. Die in USA verkauften 240-Modelle waren jetzt mit einem Abgasreinigungssystem ausgerüstet, das dank einer Lambdasonde die strengeren kalifornischen Bestimmungen von 1977 mehr als erfüllte. Die 78er Modelle enthielten nicht viele Innovationen, doch wurde aufdem amerikanischen Markt eine Reihe neuer Versionen vorgestellt. Die Wichtigste war die Einführung neuer Rostschutz- und Lackierverfahren, die frühere Probleme beseitigten.

Die Front erhielt 1978 eine neues Gesicht. Bei der früheren Version gab es eine schmale Chromleiste an der Haube und um die Blinker und Positionslichter, bei der überarbeiteten Vrsion saften die Zierleisten direkt am Grill. Volvo weitete die Garantie auf Lackschäden bei den 77er Modellen aus. Der neue Rostschutz- und Lackierungsprozeß war von höchster qualität, so daß die Beschwerden schnell aufhörten. Die Serie 240 erfuhr nur eine minimale äußere Änderung durch eine Chromleiste um den Grill. (Sie war jetzt am Grill montiert und nicht mehr an der Haube .) Auch die Scheinwerferbefestigungen wurden leicht verändert, um die Montage verschiedener runder Typen zu erleichtern. Die Sitze wurden überarbeitet und erhielten breitere und stärker gewölbte Rückenlehnen. Die L- und DL-Versionen wurden mit anderen Polsterbezügen geliefert, während DL und GL mit Intervallscheibenwischern und schwarzen Außenspiegel ausgerüstet wurden. Ein neues Modell, der 242 GT mit dem B2lE-Motor, 123 PS und Viergang-Schaltgetriebe mit elektrischem Overdrive, wurde eingeführt. Das Fahrzeug war ausgestattet mit Spoiler, Leichtmetallfelgen mit 20 Speichen, Nebellampen im silberfarbenen Grill, Drehzahlmesser, schwarzer Posterung mit rotem Mittelstreifen, Servolenkung und härteren Stoßdämpfern. Lackiert war das Modell in Silber mit schwarzen und orangen Dekorstreifen. Die Höchstgeschwindigkeit lag bei 175 km/h und die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h bei 12,0 Sekunden. Der B21E-Motor, der 93-Oktan- Spritvertrug, wurde auch im 245 GL eingesetzt, einer neuen, in diesem Jahr vorgestellten Version. Der Gesamtmarkt in Schweden war 1978 rückläufig, wenngleich Volvo den Marktanteil etwas erhöhte, und der Verkauf in den USA und in Großbritannien anstieg. Insgesamt produzierte Volvo 15 Prozent (260.300 Fahrzeuge) mehr als im Jahr zuvor. Ein Detail, das seit der Einführung der alten Serie 140 stets viele Besitzer geärgert hatte, wurde mit Einführung der letzten 240/260- Modellen in den 7oerjahren (den 79er Modellen) korrigiert. Es war die hohe Ladekante am Kofferraum, die extremes Anheben aller Gepäckstücke erforderte. Bei den neuen Modellen war die Kante 90 mm niedriger und die Hinterseite des Kofferraumdeckels war nach unten abgewinkelt. Die Heckleuchtengruppe reichte jetzt um die Ecken herum, so daß Rück- und Blinklichter auch von der Seite sichtbarwaren. Doch die entscheidenden äußeren Veränderungen erfuhr die Vorderseite. Die Serie 240 bekam eine überarbeitete Front mit viereckigen Scheinwerfern, beim GL und GLE rechteckig und beim DL quadratisch. (Der Grill beim DL-Modell war breiter.) Wie früher waren manche Exportmodelle mit Doppelscheinwerfern ausgerüstet. Der Overdrive zählte beim GL, der auf Wunsch auch mit Spoiler und Leichtmetallfelgen geliefert wurde, zum Serienumfang. Wichtige Modifikationen wie das ,,verzeihende Fahrwerk (wie es in der Volvo-Werbung bezeichnet wurde) wurden an beiden Serien vorgenommen. Die Handlichkeit konnte durch Modifikation der Vorderradaufhängung (einschließlich der Montage stärkerer Ouerstabilisatoren, strafferer Stoßdämpfer und einer Veränderung des Nachlaufwinkels bei Modellen mit Servolenkung) und durch den Einbau stärkerer Stabilisatoren hinten erheblich verbessert werden. Obwohl das Fahrverhalten schon ausgezeichnet war, verliehen diese einfachen Anderungen den Fahrzeugen ein anderes, sportlicheres Verhalten als vorher. Sämtliche Modelle erhielten gummierte Schutzleisten an den Seiten und am Kofferraumdeckel. Das Reserverad war jetzt einfacher und nur für kurze Strecken gedacht. Der Volvo 242GT mit dem neuen B23E-Motor wurde auf dem europäischen Markt eingeführt. Im Grunde war das neue Triebwerk ein B21E-Motzor mit auf 2315 ccm vergrößertem Hubraum, geschmiedeten Kolben, größeren Einlasskanälen, modifizierter Nockenwelle und höherer Verdichtung (10:1). Die Leistung betrug 140 PS bei 5750 /min, d.h. 17 PS mehr als beim B2lE. Im Gegensatz zu den anderen Modellen des Jahrgangs war der 242GT mit runden Scheinwerfern ausgerüstet. Der D24 Volvos erster Diesel-Pkw, war die letzte Neuerung im Modelljahr 1979. Der in Zusammenarbeit mit VW entwickelte Motor war der erste Sechszylinder-Diesel für den Einsatz im Pkw. Volvo hatte ursprünglich die Entwicklung eines eigenen Dieselmotors begonnen, aber schnell erkannt, daß das mit enormen Kosten verbunden sein würde. VW hatte bereits Vier- und Fünfzylinderversionen für eigene und Audi-Modelle entwickelt, und Volvo übernahm die alleinigen Rechte für die von beiden Firmen gemeinsam entwickelte Sechszylinderversion. Mit einem Hubraum von 2383 ccm und 82 DIN-PS bei 4800/min waren Leistung und Beschleunigung fast vergleichbar mit denen benzingetriebener Fahrzeuge. Der Wirbelkammermotor besaß eine obenliegende Nockenwelle und einen Leichtmetallzylinderkopf. Dank des leichten und kompakten Triebwerks war die Gewichtsverteilung ausgezeichnet (Vor- der-/Hinterachse 55:45). Der neue Motor wurde enthusiastisch aufgenommen und kam einem Benzinmotor näher als seine Konkurrenten. Anfangs wurde er nur im 244GL und 245GL eingesetzt. Die CL- und GLE-Modelle von 1979 waren mit rechtecktgen Scheinwerfern ausgerüstet der billigere DL (links) dagegen mit quadratischen. Die Breite des Grills war unterschiedlich. Der Dieselmotor bildete eine wichtige Ergänzung des Volvo-Programms, weil Dieselfahrzeuge eines der am schnellsten wachsenden Segmente im europäischen Markt darstellten. In den fünf Jahren von 1972 bis 1977, hatte sich der Verkaufin Europa mehr als verdoppelt, und es gab Anzeichen, daß der Dieselmarkt selbst in USA Bedeutung gewinnen könne, trotz erheblicher Unsicherheit über Umweltschutzbestimmungen und Benzinpreise. 1978 gab es den Cadillac Seville auf Wunsch mit einem V8-Dieselmotor (ab 1980 serienmäßig) und allgemein glaubte man, daß der Diesel in USA vor dem Durchbruch stand. 1982 war es soweit. Zwar lief die erfolgreiche Zusammenarbeit mit VW parallel zur Entwicklung des PRV-Sechszylinders gemeinsam mit Peugeot und Renault, andere Kooperationsprojekte in den 7üerlahren waren jedoch weniger erfolgreich.

1979 war das teuerste Modell in der Reihe 240 der 240GLE, ein De-Luxe-Modell mit dem 123-PS- B21F-Motor Das Fahrzeug war entweder mit Vierganggetriebe und Overdrive lieferbar oder mit dreistufiger Automatik.

1973 hatte Volvo mit dem Bau eines Montagewerkes in Virginia an der Ostküste der USA begonnen. Doch wegen der Ölkrise, der neuen amerikanischen Bestimmungen und des Verkaufsrückgangs in USA wurde das Werk nie so ausgerüstet wie geplant. Seit 1976 wurden dort an den importierten Fahrzeugen Endkontrollen vor der Auslieferung vorgenommen, und in den letzten jahren diente es als Montagestätte für Lastwagen (Volvo hatre den amerikanischen Lkw-Hersteller White übernommen)
Die 70er Jahre waren für praktisch alle Automobilhersteller finanziell schwierig, und die meisten hatten die Bedeutung der Verbesserung ihrer finanziellen Sicherheit durch verschiedene Maßnahmen erkannt. Diversifikation war angesagt!
Im Mai 1977 kündigten Volvo und Saab überraschend an, daß sie dabei waren, eine Vereinbarung zu schließen, die mit der Zeit zu einer vollständigen Vereinigung beider Unternehmen führen sollte. Die Verhandlungen wurden einige Zeit weitergeführt, doch im August wurde ihr Scheitern verkündet. Eine weitere überraschende Nachricht drang im Mai 1978 an die Öffentlichkeit - Volvo sollte eine Vereinbarung mit der norwegischen Regierung treffen, nach der die Norweger für 750 Millionen Kronen 40 Prozent der umstruktierten Volvo-Gesellschaft übernehmen sollten. Nach den Bedingungen dieser Vereinbarung sollte ein erheblicher Anteil der Volvo-Unternehmungen (nicht unbedingt die Autombilproduktion) in Norwegen stattfinden. Doch es wurde auch ein neues Auto erwähnt, das aus Leichtbaumaterialien mit neuer Technologie gefertigt werden sollte (das LGP-2000-Projekt ging zum Teil daraufzurück). Die Ölsuche in der Nordsee war ein entscheidender Bestandteil der Vereinbarung, die schon auf dem Papier höchst komplex war. Doch die Volvo-Aktionäre reagierten ablehnend auf einen Vorvertrag, und so zog der Vorstand seine Vorschläge zurück, als sich herausstellte, daß es dafür nicht die Unterstützung der Mehrheit geben würde. Andere Verhandlungen, diesmal fruchtbarer, fanden 1979 statt.

Kurz vor Weihnachten verkündete man, daß Volvo mit Renault ver- einbart hatte, daß Renault 10 Prozent der Anteile der Volvo Personvagnar AB für 170 Millionen Kronen übernimmt. Diese Beteiligung wurde 1981 auf 15 Prozent angehoben, aber 1984 auf 9,4 Prozent reduziert. Auch wenn der Zweck der Vereinbarung gemeinsame Forschung, Produktentwicklung und Produktion war, so wurde betont, daß beide Firmen weiterhin als selbständige, unabhängige Unternehmen weitergeführt würden. Pehr G. Gyllenhammar schrieb im Jahresbericht 1978: "1978 hat die Volvo Personvagnar AB ein Produktentwicklungsprogramm für die nächsten sechs bis sieben Jahre formuliert und die Mittel für die Verwirklichung bereitgestellt. Vorbereitende Entwicklungsarbeiten an neuen Modellen haben eingesetzt. Ziel des Programms für Volvo ist die Sicherstellung des bis Ende der 80er jahre erforderlichen Knowhows."
 Nach den gravierenden Problemen um die Mitte des jahrzehnts lag Volvo, jetzt anscheinend auf dem richtigen Kurs. Die Produktion stieg, die Serie 240/260 wurde weiterentwickelt, die Serie 340 war von einer Belastung zu einem Modell mit klaren Erfolgsaussichten umgewandelt worden, und für die Entwicklungsarbeiten gab es finanzielle Rücklagen. Niemand zweifelte daran, daß das Unternehmen die Fähigkeit und den Willen zum Überleben und zur Expansion besaß - ,wie geplant. Bemerkenswerterweise war es jedoch eine schwedische Regierungsbehörde, die der Firma an diesem Punkt ein Messer in den Rücken stieß. 1979 hatte das staatliche Mini steriums für Industrie eine Untersuchung über ,,die schwedische Automobilindustrie und ihre Zukunft veröffentlicht, in der Volvo und Saab ein baldiges Ende prophezeit wurde: kleine Hersteller, besonders solche in kleinen Ländern, seien zum Untergang verurteilt. Nur die größten Hersteller und die japanischen Produzenten besäßen realistische Überlebenschancen. Der Bericht löste eine beispiellose Kontroverse aus, und weder Volvo noch Saab zögerten mit der Antwort. Dennoch wurden Teile der Untersuchung von der Konkurrenz im Ausland (die betonte, daß es schließlich eine objektive, mit öffentlichen Mitteln durchgeführte schwedische Untersuchung war) dazu benutzt, Mißtrauen gegen die schwedische Automobilindustrie zu sähen und die Händler zur Aufgabe ihrer schwedischen Marken zu bewegen. (Wo lag ihr Vorteil, wenn nicht einmal die Schweden selbst an die Zukunft ihrer Industrie glaubten? Es ist kaum vorstellbar, daß eine Regierungsbehörde in einem anderen Land in ähnlich widersprüchlicher Weise gehandelt hätte! Immerhin wird der Bericht in offiziellen Kreisen nur mit größter Abneigung zitiert.

 

©www.volvo244dls.de

 

 
 

   


  

 

Der Zombie, schon vor 20 Jahren war der Volvo 240 tot, seinen Nachfolger überlebte er trotzdem

Quelle: 2006, datum.at

Dass Volvos 240er-Serie bis heute als Intellektuellenauto gilt, verdankt sie ihrer Filmpräsenz. Kaum ein Mittelklasseauto aus Europa war mehr auf der Leinwand daheim als der kantige Schwede: von „Drei Farben: Rot“ über „The Shining“, von „Zurück in die Zukunft“ über „Good Fellas“ bis zu diversen James Bonds. Requisiteure mit einem der Schwedenpanzer im Fuhrpark hatten stets eine gute Chance, das Ding vermieten zu können, und da reden wir noch nicht von Independent-Produktionen, wo einfach Privatautos verwendet wurden. (Irgendwer war immer pragmatisch genug, einen 240er zu fahren, meistens der Kameramann oder der Beleuchter.)

 

Wenn im Film ein Volvo 240 auftaucht, ist er Symbol für behütetes Familienleben („Die Hand an der Wiege“) oder den letzten Rückzugsort auf der Welt („The Day After“, „Striptease“). Sitzen ausnahmsweise einmal zwei Männer drin, müssen das Gauner sein, die seine arglose Fassade als Tarnung missbrauchen.

 

Volvo war die erste Firma, die sich offensiv des Sicherheitsthemas annahm, selbst in Zeiten, wo das noch schwer uncool war. Früh tüftelte man statt an hoch komplizierten Motoren daran, Insassen bei einem Unfall die bestmögliche Überlebenschance zu bieten. Die Autos waren stets solide ausgeführt, den Dreipunkt-Sicherheitsgurt hatte man schon in den Fünfzigern erfunden – und war damit allen anderen Firmen um Jahre, manchmal Jahrzehnte voraus.

Dicke Stoßstangen, verformbare Materialien im Innenraum, Lenkräder mit Prallplatten, eine akustische Erinnerung, den Sicherheitsgurt anzulegen: So früh war mit all diesen Dingen in Summe keine Firma dran, und die Schweden nutzten ihr Image als Anbieter fahrender Festungen für pfiffige Werbekampagnen. Um die Stabilität der Fahrgastzelle zu illustrieren, schichteten sie einmal sieben Limousinen übereinander, ohne dass das Dach der untersten eingeknickt wäre. Sogar die Türen ließen sich noch öffnen. Diese Bilder wirkten trotz der Hässlichkeit der Autos. „Ihre Frau fährt auf der gefährlichsten Straße Großbritanniens“, lautete der Text unter dem Bild einer Mutter, die in ihrem Volvo Kinder zur Schule bringt.

 

Der erste Volvo 240 wurde 1974 vorgestellt. Abgeleitet aus dem Vorgänger 140, sah er äußerlich VESC nicht unähnlich, dem Volvo Experimental Safety Vehicle, das Anfang der Siebziger als rollende Wagenburg den aktuell möglichen Stand der Sicherheitstechnik illustrierte. Der 240 hatte dessen massive Stoßfänger geerbt, viel Blech mit geraden Kanten hielt vier Türen und einen Kofferraum zusammen. Daran sollte sich auch so schnell nichts ändern: Der Schuhschachtel-Look wurde zum bestimmenden Element von Volvo-Design (Anhänger der zeitlos eleganten P-Serie-Volvos aus den Sechzigern würden sagen: von Volvo-Nicht-Design). Der Hauptgrund dafür liegt in der biblischen Konstanz der Designabteilung. Jan Vilsgard, Zeichner des 240, arbeitete unfassbare 40 Jahre lang, nämlich von 1950 bis 1990, im Designzentrum der Schweden. Sein ebenso pragmatisches wie haltbares Credo: „Funktionelle und vernünftige Lösungen sind oft die attraktivsten.“

 

Einheitliche Standards für Crash-Tests gab es zu dieser Zeit nicht. Immerhin wirkte der Volvo 240 so solide, dass die amerikanische Verkehrssicherheits- behörde ihn als Referenzfahrzeug auswählte, an dem sich die amerikanischen Produkte zu messen hatten. Noch 1991, unglaubliche 17 Jahre nach seiner Präsentation, galt er dem amerikanischen Versicherer-Verband als das sicherste Auto seiner Klasse. Er war auch das umweltfreundlichste: Geregelte Katalysatoren mit Lambdasonde, im vermeintlich so umweltfreundlichen Österreich erst 1987 verpflichtend eingeführt, bot Volvo in Amerika schon zwölf Jahre früher an. Sicher, familien- und umweltfreundlich: kein Wunder, dass Ökos und Häkelväter auf den kantigen Schweden standen.

 

Dabei konnte er ganz anders: In der Tourenwagen-Europameisterschaft verprügelte dieser aero- dynamische Sonderfall von einem Auto im Renndress mit 350 PS schnittige Sechser-BMWs und elegante Rover. Selbst Jaguars kamen unter seine Räder. Eine noch größere Demütigung wäre nur gewesen, einen Kombi an den Start zu schicken. Ein Drittel aller Volvo 240 waren nämlich Fünftürer, unerhört für jene Zeit. Sie hießen 245, was sich anhand der Volvo-internen Logik so erklärt: Die erste Ziffer benennt die Baureihe, die zweite die Zylinderzahl, die dritte die Anzahl der Türen. (Ein 242 zum Beispiel war also ein zweitüriger Vierzylinder, ein 264 ein Sechszylinder mit vier Türen.)

Kombis hatten bis weit in die Neunziger ein lausiges Image, sie galten als bloße Lieferwagen. Hersteller, die etwas auf sich hielten, befleckten ihr Image erst gar nicht mit Hecks, die etwas anderes trugen als einen waagrechten Kofferraumdeckel. Kombis fuhr nur, wer unbedingt musste. Bauern zum Beispiel, denn im Kofferraum des 240 hatte ein ganzes lebendes Kalb Platz (von wegen „Intellektuellenauto“).

 

Was dem Bauern noch entgegenkam, war die sprichwörtliche Robustheit der 240er-Serie. Nur das Blech rostete, die Motoren waren unverwüstlich, die Technik rundum detto, der Innenraum hielt alles aus. Schnell machte eine weitere Legende die Runde, nämlich dass 300.000 Kilometer für einen Volvo eine völlig problemlose Laufleistung seien, selbst eine halbe Million nichts Außergewöhnliches.

 

Freilich gab es jenseits des Kälberwagens auch elegantere Varianten, vor allem den 262C: sechs Zylinder, zwei Türen, Coupéform. Gebaut von Bertone in Italien, ein fein geschnitzter Wandschrank in Leder, Lack und Holz. Die wenigen Exemplare, die sich durch die Zeiten geschlagen haben, sind heute nennenswertes Geld wert. Volvo konnte sich derlei Narreteien leisten, brummte doch das Geschäft mit dem 240.

 

Folglich machte man das Richtige, nämlich nichts.

Einmal, 1980, gönnte man dem Ding eine größere Renovierung, ersetzte die Rundscheinwerfer durch eckige, kehrte den Innenraum durch und investierte in besseren Rostschutz. Hie und da werkelte man an den Motoren, verfeinerte die Technik, entwickelte Turbos, ließ aber die Grundkonstruktion unangetastet, deren Basis weit im Paläozoikum der Firma lag. Findigerweise hängte man starke Turbomotoren in Kombi-Karosserien, machte damit den Installateur schneller als den feinen Herren in der Limousine und schuf so nebenbei den Anstoß zum Vertreterauto heutiger Tage.

 

Volvo 240 waren sicher, ein wenig schrullig, ein wenig individuell und ein wenig solide. Und sie waren ein wenig wichtig, denn die Menschen, die in ihnen saßen, waren sehr wichtig, zumindest in der DDR. Funktionäre, die anderes denn Erzeugnisse aus volkseigenen Betrieben fahren durften, hatten die Wahl zwischen Volvo 240 und Citroën. Erich Honecker selber ließ sich mit Vorliebe im Volvo 264 chauffieren. Die DDR kaufte die Autos in Schweden, schickte sie zum italienischen Karosseur Bertone, der zerlegte sie bis aufs Blech, verlängerte sie um 80 Zentimeter, lackierte sie dunkel, stattete sie luxuriös aus und schickte das fertige Werk zurück in die DDR. Was hätte Honecker auch sonst fahren sollen: Mercedes vielleicht? Volvos hatten den Vorteil, aus einem neutralen, noch dazu bekannt sozialen Land zu kommen. Der 240 war repräsentativ, aber nicht abgehoben. So was ging. Das konnte man aus argumentieren.

 

1982 präsentierte Volvo mit dem 760 eine Limousine, die den 240 als das große Auto im Konzern ablösen sollte. Der Siebener war komplett neu konstruiert, moderner, bequemer, größer. Die Menschen kauften ihn auch brav, selbst wenn die Kombi-Version bis 1985 auf sich warten ließ. Ein Volvo 760 Estate war ein eckiges Auto, in dessen Kofferraum man schlafen konnte, und symbolisierte somit genau das, worauf die Stammklientel stand.

 

Doch die hörte nicht auf, 240er zu bestellen. Man hatte sich durch praktiziertes Beharren ein ebenso beharrliches Publikum herangezogen. Aber was sollte das nun werden: Jetzt gab es den Kübel schon elf Jahre lang, und noch immer ließen sie nicht von ihm. Konnte es so was geben? Der normale Modellzyklus eines Pkw-Modells sind sechs, sieben, maximal acht Jahre. Den hatte man längst deutlich überschritten. Der Run des 240 begann den Verantwortlichen unheimlich zu werden. Ein Jahr wollte man ihn noch bauen, dann sollte Schluss sein. Die Firma brauchte ein frisches Auftreten, dazu benötigte man moderne Autos: den aerodynamischen 440, das pfiffige Sportcoupé 480, den stattlichen 760. Für das alte Schlachtross 240 sollte für der hin kein Platz mehr sein.

 

Mehr als die Ankündigung dessen hatte Volvo nicht gebraucht. Von nun an wurden 240er bestellt, als gäbe es kein Morgen (was ja auch angedroht war). Jeder wollte zum Schluss noch einen haben. Dieses viereckige Ding, das so aussah, wie Kinder Autos zeichnen, war zum Inbegriff des soliden, guten Autos geworden. Allein um die Vororder abzubauen, musste man die Bänder so lange laufen lassen, dass der ursprüngliche Termin des Auslaufens nicht zu halten war. Ohne es zu wollen, hatte Volvo einen Klassiker gebaut. Da konnte man genauso gut die Flucht nach vorn antreten und den verdienten Untoten noch einmal aufschminken.

 

Das Ergebnis waren die besten 240er der Geschichte, die sogar optisch was hermachten. Metallic-Lack, geschmackvolle Felgen, ein erstmals ergonomisch gutes Armaturenbrett, verbesserte Geräuschdämmung, Klimaanlagen, Katalysatoren und edle Lederausstattung ließen vergessen, welch ein Traktor dieses Auto einmal gewesen war. Willig kokettierte Volvo mit seinem Skandinaviertum und nannte die besonders guten späten Exemplare „Polar“. Vor allem das als Design-affin bekannte Italien entdeckte plötzlich den Charme des kantigen Schwedenpanzers und erzwang eine eigene Serie mit 2,0- statt der gewöhnlichen 2,3-Liter-Motoren. So wie vor kurzem alte Adidas-Turnschuhe, wurden Ende der Achtziger fabriksneue, aber eigentlich alte Schwedenautos fashionable.

 

Volvo passte das wieder einmal nicht in den Kram. 1990 hatte man die nächste große Limousine fertig, den 940. Er sollte endlich das werden, was eigentlich das missratene Kind 760 hätte sein sollen. Trotz vielfältiger Aktionen, trotz günstigerer Vierzylinder-Motoren hatte der es nie geschafft, einen richtigen Zugang zum Herz der Klientel zu finden. (Volvo gab die Siebener-Serie schließlich 1992 auf, nach nur zehn Jahren Bauzeit. In der normalen Autowelt würde man das einen guten Wurf nennen. Wenn aber daneben ein Modell noch immer gebaut wird, obwohl es acht Jahre länger am Markt ist, tut man sich mit diesem Urteil ein bissl schwer.)

 

Mit normalen Mitteln war dem 240 nicht beizukommen, er drohte zum Käfer von Volvo zu werden. 1991 schließlich schockte Volvo die Autowelt mit dem 850. Der war für damalige Verhältnisse unverhältnismäßig rund und modisch, außerdem hatte er erstmals in der Firmengeschichte in dieser Klasse Frontantrieb. Der 850 war ein rundum modernes Auto mit Elektronik, starken Motoren, abermals verbesserter Sicherheit, eine ganz andere Liga. Was wollte der 240 dagegen anrennen? Wie ein alter Hofhund, der seinen Nachfolger ohnehin überlebt hat, legte sich der 240 hin zum Sterben.

Die Order brachen ein, jetzt waren es wirklich nur mehr Freaks, die einen klassischen Schwedenziegel bestellten. Die zu vergraulen, riskierte man. Am 7. Mai 1993 verließ der Letzte seines Stammes das Werk in Göteborg. Es war ein 245 Polar, das unwiderruflich letzte Exemplar nach 2,862.600 gebauten 240ern und 260ern.

 

Volvo fand sich nach dem Tod des alten Hofhundes endgültig in der modernen Welt wieder. Nachdem das letzte Unikum ausgelaufen war, sah man sich mehr als bisher zu Kooperationen mit anderen Herstellern gezwungen. Darunter litten Markenidentität, tatsächliche und gefühlte Qualität. Trotz aller Bestrebungen zur Individualisierung wurde man austauschbar. Sicher waren inzwischen alle Autos. Kombis hatten auch alle im Programm. Um Umweltfreundlichkeit war ebenfalls jeder bemüht. Neuner-, Achter- und Vierer-Serie waren passable Autos, aber keine Ikonen.

 

Volvo wurde zum Übernahmekandidaten in einer brutaler gewordenen Welt und schaffte es schließlich als Ford-Tochter, sich als eine Mischung aus Bang & Olufsen und Zahnarztaccessoire erfolgreich zu positionieren. Eine Ikone wie der zähe Hund 240 wird der Firma aber so schnell keine mehr passieren. Und aktuelle Volvos kommen im Film auch so gut wie gar nicht mehr vor.